Das junge Kulturmagazin DER RHEINGAUER porträtierte in seiner Juni-Ausgabe des Jahres 1997 die bis zum heutigen Tag vielgeachtete Persönlichkeit Erwein Graf Matuschka-Greiffenclau.
Mit einer Kombination aus Wein, exzellentem Essen und klassischer Musik geht Graf Matuschka-Greiffenclau neue Wege bei der Vermarktung seines Weinguts. Wir waren zu Besuch auf Schloss Vollrads.
Für ihn im Kern eine treffende Aussage, die heute mehr denn je die Richtung für seine geschäftlichen Aktivitäten vorgibt. Wir sitzen im Kabinett des Kavaliershäußschen im Schloßhof, von dunklen Portraits „Derer von Greiffenclau“ umgeben, Bischöfe von Trier und Würzburg.
Seit dem Jahre 1211 betreibt die Familie hier Weinbau und ist damit nicht nur die älteste Winzerfamilie Deutschlands, sondern wahrscheinlich auch der ganzen Welt. Matuschkas Vater war selbst lange Jahre Präsident des Deutschen Weinbauverbandes und vertrat die Belange der Winzer bei der EWG in Brüssel, ohne dem Zulauf ausländischer Weine entscheidend entgegenwirken zu können. Dabei ist Schloß Vollrads mit einer Ernte von 600.000 Flaschen auf insgesamt 70 ha und 30 Prozent Export noch eines der internationalen Weingüter.
Kein leichtes Erbe also, was Sohn Erwein als Jurist und Marketing-Spezialist auf Schloß Vollrads 1975 übernahm. Insbesondere die 17 % Überproduktion im EG Bereich machen dem Winzer aus Leidenschaft das Leben schwer. „Fünfzig Prozent der verkauften Weine kommen hierzulande aus dem Ausland“, verrät der Schloßherr die gegenwärtige Misere des deutschen Weines. Zur Jahrhundertwende, erinnert Matuschka, waren die guten Tropfen von Rhein und Mosel noch 30 Prozent teurer als vergleichbare Franzosen. Jetzt hingegen sei das Verhältnis umgedreht.
Der Graf schimpft denn auch engagiert auf die hiesigen Vorschriften: „Wir haben das blödeste Weingesetz in der EG.“ Alleine 13 Kennzeichen auf dem Etikett trüben so selbst dem hartnäckigsten Riesling-Fan das Erinnerungsvermögen, denn mehr als drei Merkmale vermag sich der Normalkonsument kaum zu merken. Hier würde der Marketingfachmann gerne ansetzen und völlige neue, plakativere Wege im Verkauf gehen.
Seine Erfahrung zieht Matuschka auch aus seiner Tätigkeit als Marketing-Chef bei Olivetti, dem italienischen Computer-Riesen. Dort gelang ihm gerade wegen seines Mangels an speziellem Fachwissen im EDV-Bereich, die Weichen für den „Turn“ von der Rechenmaschine zum Computer erfolgreich zu stellen: Er bestand darauf, daß nur Prospekte aus dem Haus gingen, die er selbst bis ins Detail nachvollziehen konnte. Getreu diesem Motto strickt der Rheingauer, der von sich selbst behauptet, ein ganz normaler Mensch zu sein, an pfiffigen Konzepten, Wein über Lifestyle zu verkaufen.
Und zwar über die subjektiven Wahrnehmungen, nicht "über Analysewerte“. Neben den 20 Mitarbeitern im Weinbau beschäftigt der Mittelständler noch 36 Personen in der eigenen Gastronomie. Insbesondere das berühmte „Graue Haus“ in Oestrich-Winkel, das als ältestes Steinhaus Deutschlands gilt, hat sich einen Namen als Weinschmecker-Restaurant mit Stern im Michelin gemacht. „Wein verlangt Lebenskultur“, konstatiert Matuschka, und sieht gerade in der Kombination mit gutem Essen die Ideale Verknüpfung. Seine lukullischen Weinproben sind denn auch über die Grenzen hinaus berühmt.
Harmonisch sollen die Weine zu den übrigen leiblichen Genüssen passen, um ein vollständiges Geschmackserlebnis zu schaffen. Das Tüpfelchen auf dem „i“ bildet dazu noch entsprechende musikalische Begleitung. Einmal auf der Fährte des Verkaufserfolges, animierte Matuschka Professoren der Rheinischen Philharmonie zu Kompositionen, die exakt den Charakter der unterschiedlichen Weine treffen sollen. Denn genau wie ein musikalisches Werk muß ein guter Wein „komponiert“ werden. Ein Wein verfügt über Körper und Seele und offenbart dem Kenner ein vielgestaltiges Wesen, das immer neue Facetten zeigt.
Aus dieser Zusammenarbeit resultieren nunmehr klassische Kompositionen, die Farbe, Bukett und Geschmackseindruck des jeweiligen Weines musikalisch darstellen. Unter der Leitung von Dirigent Hiroaki Masuda entstand eine CD, die in der Kombination mit den jeweiligen Weinen von Matuschka als „Viniaturen“ vertrieben werden.
Trotz dieser sehr kunstvollen Aktivitäten um Image und Lebensqualität beklagt Graf Matuschka-Greiffenclau mehr und mehr den Verfall der Sitten. Fast-food und Alltagsstreß nagen an den Werten, die für den Verkauf von Flaschenweinen einer gewissen Qualität doch so nötig sind: „Spargel zu Weihnachten und Schafskäse im Herbst zeugen nicht gerade von einer vernünftigen Einkaufsstrategie.“ Viele Leute, so Matuschka, wüßten gar nicht mehr, daß Schafe nur einmal im Jahre Nachwuchs bekommen, und frische Milch dementsprechend nur in bestimmten Zeiten verfügbar sei.
Er selbst habe gerade an dem Familientisch seines Vaters - Matuschka hat eine 13jährige Tochter, die Mutter ist schon verstorben - von der Politik, über Tischmanieren bis zum Weinbau vieles gelernt, was heute mehr und mehr verloren geht. Sein Credo für die Zukunft des Weines und die Geschäfte des Gutes ist die perfekte, flexible und freundliche Dienstleistung, gepaart mit Sinn für Kultur und Kunst. Hobbies kann Matuschka sich leider aus Zeitgründen nicht leisten, aber bei seinem Beruf, gesteht der agile Graf aus dem Rheingau, „ hat man immer gut zu essen und zu trinken und lernt viele interessante Leute kennen“.
Tragisch, liebe Leser, ist der Freitod von Erwein Graf Matuschka- Greiffenclau. DER RHEINGAUER hat den Vertreter des vermutlich ältesten Winzergeschlechts vor noch gar nicht allzu langer Zeit als selbstbewußte Kämpfernatur porträtiert, die eine hohe Form der Gesprächs- und Streitkultur pflegte. Der „Streitwein“, den er noch eine Woche vor seinem Tod präsentierte, war mehr als ein Marketing-Gag, wenn man wußte, wie der Graf darüber dachte.
Daß ihm 24 Stunden nach der Präsentation die Weinkontrolle den Verkauf dieses Weines untersagen wollte ist Hohn, aber auch Symbol für die Widrigkeiten, mit denen sich auch Graf Matuschka auseinander-zusetzen hatte. Am 19. August setzte der Graf seinem Leben ein Ende. Offenbar war er zu streiten müde, die Macht der Mächtigen zu erdrückend.
Ist es das "Kapital", die Politik, sind es die Medien? Wo ist sie zuhause, die Macht der Mächtigen? Vermeintlich Bescheid wissen viele. Die Gemeinde der Schulterklopfer aber schweigt! Eines ist klar, eine Region mit langer Tradition, die kulturell prosperiert und so im Lichte der Öffentlichkeit steht, zieht sie alle an, die Mächtigen und deren Lakaien. Engmaschige Beziehungs-netzwerke werden aus dem Nichts sichtbar. Wettbewerber werden abgeschottet, Newcomer im Keim erstickt und Querdenker ausradiert.
Für den Hochmut der Macht gibt es zahlreiche Beispiele. Es tröstet, daß irgendwann auch die Mächtigen und ihr Fußvolk feststellen müssen, daß es nicht die teuren Events und Festivals sind, die die Zukunft des Landstrichs nachhaltig und langfristig prägen, sondern vielmehr das gesunde Maß an eigener, nicht fremd bestimmter Dynamik aus der Mitte der Weinregion.
Wirkliches Profil ist das eines unbeugsamen, traditionsbewußten und unabhängigen Rheingaus. Die Geschichte ist mein Zeuge
Und so, liebe Rheingauer, versteht meinen Apell: Bleibt wie ihr seid! Stolz, offen und unbeugsam. Wehrt euch nicht gegen Veränderung, aber laßt sie euch auch nicht diktieren. Nicht von denen, die heute ihre Veranstaltungen in die Region tragen und morgen mit dem Troß applaudierender Konsumenten wieder verschwunden sind. Nicht von denen, die ihre Häuser bauen wollen auf euren traditionellen Weinbergslagen, auch wenn das Angebot verlockend sein mag. Besinnt Euch auf eure Werte: Tradition, Weinbau und Gastfreundschaft. Und handelt danach.
Und Ihr, liebe Gäste, sagt offen, was euch mißfällt - das gilt für schlechten Wein und miserablen Service ebenso wie für Arroganz und Einfalt. „Wer den Konflikt verdrängt, der scheut die Wahrheit“ (Pestalozzi) steht auf Matuschkas letztem Wein, dem „Streitwein“.
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